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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 11 W 15/06
Rechtsgebiete: WEG, GKG, ZPO, KostO


Vorschriften:

WEG § 1 Abs. 2
WEG § 4 Abs. 1
WEG § 4 Abs. 2
WEG § 5 Abs. 4
WEG § 8 Abs. 1
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 10 Abs. 2
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
WEG § 48 Abs. 3 Satz 2
GKG § 66 Abs. 2 Satz 1
GKG § 66 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1
GKG § 66 Abs. 8
ZPO § 3
ZPO § 569
ZPO § 287
KostO § 30 Abs. 2 Satz 1
1. Wird ein Wohnungseigentümer durch die fehlende Zustimmung eines anderen Wohnungseigentümers daran gehindert, seine Einheit zu veräußern, ist der Gebührenstreitwert für die Klage auf Zustimmung mit 10 bis 20 % des Kaufpreises anzusetzen.

2. Fehlt es ausnahmsweise an zureichenden Anhaltspunkten, ist der Gebührenstreitwert mit 3.000,00 EUR zu bemessen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 11 W 15/06

12. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Amtsgericht Dr. Elzer am 12. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten vom 6. November 2006 wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Berlin - Aktenzeichen 36 O 128/06 - vom 15. September 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

In dem Rechtsstreit A gegen B wird der Streitwert auf 3.571,53 EUR festgesetzt.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Kläger erwarb 1998 in der Wohnungseigentumsanlage R-----------straße -- in 1--- die im Aufteilungsplan mit der Nr. 1 bezeichnete Einheit. § 24 der Teilungserklärung des Nürnberger Notars Sch vom 9. März 1994 in Form der Nachtragsänderung vom 13. Juli 1994 räumte dem Inhaber der Einheit Nr. 1 das Recht ein, das Wohngebäude durch Aufstockung zweigeschossig zu erweitern, um dort Wohneinheiten mit den Nummern 15 bis 17 zu schaffen. Die Teilungserklärung machte das Recht des Inhabers der Einheit Nr. 1, drei neue Einheiten zu bilden und den Miteigentumsanteil der Einheit Nr. 1 abzuspalten, i.S.v. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG zum Inhalt der Gemeinschaftsordnung. Der Kläger machte von seinem Ausbaurecht im Folgenden Gebrauch und schuf die neuen Einheiten 15 und 16. Nach Abschluss der Bauarbeiten beabsichtigte der Kläger, den Miteigentumsanteil der Einheit Nr. 1 auf diese sowie die neuen Einheiten 15 und 16 "aufzuteilen". Seinen entsprechenden Erklärungen stimmte die Beklagte außerprozessual nicht zu. Mit Klage vom 24. März 2006 nahm der Kläger die Beklagte daher neben der Bezahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten auf Zustimmung zu einer Unterteilung seines Sondereigentums i.S.v. § 1 Abs. 2 WEG in Anspruch. Außerdem verlangte er von der Beklagten, der Übertragung im Gemeinschaftseigentum stehender Flächen in sein Sondereigentum zuzustimmen. Im Laufe der gegen sie daraufhin erhobenen Klage gab die Beklagte die erforderlichen Erklärungen ab.

Das Landgericht Berlin setzte für die Anträge auf Zustimmung der Beklagten sowie den Antrag auf Erstattung außerprozessualer Rechtsanwaltskosten am 15. September 2006 einen Gebührenstreitwert in Höhe von insgesamt 200.000,00 EUR fest. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23. November 2006 begründete das Landgericht seine Wertfestsetzung mit dem Umstand, dass der Kläger durch die fehlenden Zustimmungen an der Veräußerung seiner neuen Einheiten gehindert worden sei. Der Wert dieser Einheiten sei auf 200.000,00 EUR zu schätzen.

II.

Die nach § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 GKG i.V.m. § 569 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gebührenstreitwert ist gem. § 3 ZPO auf 3.571,53 EUR festzusetzen. Es geht jedenfalls nach der maßgeblichen Auffassung der Parteien um die Klärung dem Grunde nach unstreitiger Klägerrechte. Die Rechtslage soll durch eine von der Beklagten zu erzwingende Willenserklärung gestaltet werden. Ferner geht es um die Berichtigung eines Wohnungsgrundbuchs. Zu Grunde zu legen ist dabei jeweils nicht der Wert der Einheiten, sondern das Interesse des Klägers. Dieses ist in einem Fall wie diesem als besonders gering anzusetzen, weil es nur um die formelle Rechtslage geht. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger jedenfalls ein Ausbaurecht besaß und die vom ihm aufgestockten Teile des Wohngebäudes im Ergebnis in sein Eigentum sollte überführen dürfen. Die ausstehende Erklärung der Beklagten hinderte den Kläger auch nicht an der Vermietung der neu entstandenen Einheiten. Und auch eine Finanzierung durch Banken war offensichtlich möglich. Nachteile durch die Grundbuchsituation erlitt der Kläger mithin nicht. Möglich, aber nicht gesichert ist allerdings, dass die Beklagte den Kläger an einem Verkauf der Einheiten hinderte und sich deshalb das Interesse des Klägers an dem Wert der Einheiten Nr. 15 und 16 auszurichten hat. Die Frage, welchen Wert den Einheiten zuzumessen ist und ob es wirklich konkrete Verkaufsverhandlungen gab, blieb aber im Ergebnis ungeklärt. Die vom Kläger favorisierte Ansetzung eines Verkausfwertes von 400.000,00 EUR musste schon dabei deshalb ausscheiden, weil der Kläger selbst vortrug, dass sich dieser Wert auf alle drei in seinem Eigentum stehenden Einheiten bezieht. Hier sind aber nur die Einheiten 15 und 16 im Streit. Der Erwägung, dass alle Einheiten als "Paket" anzusehen sind und nur ein Verkauf aller Einheiten möglich war, ist nicht zu folgen. Der Kläger trägt keine Gründe vor, warum ein Verkauf nur der aufgestockten Einheiten ausscheiden musste. Im Gegenteil trägt der Kläger selbst vor, dass es angeblich in 2006 Verkaufsverhandlungen nur hinsichtlich der Einheiten 15 und 16 gab. Dass der Verkauf an der "Paketfrage" scheiterte, ist nicht ersichtlich. Die Auflage des Gerichts vom 15. Dezember 2006, für die Marktwerteinschätzung der DG HYP zu erläutern, welcher Wert dort auf die hier allein gegenständlichen Einheiten Nr. 15 und 16 entfiel, blieb unerfüllt. Eine Schätzung nach § 287 ZPO ist insoweit nicht möglich. Etwa für eine Teilung oder eine andere Methode fehlt es an greifbaren Schätzgrundlagen. Für die angeblich durch das - freilich rechtmäßige - Verhalten der Beklagten in 2006 "vereitelten" Kaufverhandlungen, ließ der Kläger ungeachtet der gerichtlichen Auflage auch nicht vortragen, wer der Käufer sein sollte, was die Modalitäten waren und welcher Kaufpreis konkret verhandelt wurde. Wollte man im Übrigen daran anknüpfen, dass der Kläger wegen der fehlenden Zustimmung der Beklagten an der Veräußerung der Einheiten Nr. 15 und 16 gehindert war - würde sich der Gebührenstreitwert allenfalls in Höhe von 10 bis 20 % des hier unbekannt gebliebenen Kaufpreises für die Einheiten bewegen - nicht nach dem nach der Ertragswertmethode ermittelten Wert (OLG Zweibrücken v. 8.11.2005 - 3 W 142/05, ZMR 2006, 220 [221]; OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 - I-3 Wx 321/04, ZMR 2005, 971 [972]; BayObLG v. 4.1.1995 - 2Z BR 114/94, WuM 1995, WuM 1995, 328 [329]). Dabei wäre die Obergrenze von 20 % nur bei einem verhältnismäßig geringen Wert einer Wohnung zu wählen; bei einem hohen Wert hingegen sind 10 % des Verkaufspreises anzusetzen (OLG Düsseldorf v. 10.5.2005 - I-3 Wx 321/04, ZMR 2005, 971 [972]; BayObLG v. 1.2.1990 - BReg 2 Z 141/89, BayObLGZ 1990, 24 [28]).

Weil es hier an nachvollziehbaren konkreten Anknüpfungspunkten und an einem entsprechenden Klägervortrag mangelt, sieht es der Senat wenigstens in einem Fall wie diesem als angemessen an, ausnahmsweise an die Wertungen der §§ 48 Abs. 3 Satz 2 WEG, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO anzuknüpfen (für diesen Weg siehe etwa FA MietRWEG/Abramenko, 2006, 35. Kapitel Rz. 71 m.w.N.). Der Streitwert für die Erstreitung der notwendigen Zustimmungen zur Änderung des Wohnungsgrundbuchs ist damit auf 3.000,00 EUR festzusetzen. Diese Anknüpfung ist jedenfalls hier nahe liegend, weil das Landgericht für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig und die Bemessungsvorschriften der ZPO dem Grunde nach gar nicht anwendbar sind. Soweit ein Wohnungseigentümer den anderen auf Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen des jeweiligen Sondereigentums in Anspruch nimmt, sind nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG nämlich die Wohnungseigentumsgerichte zuständig (OLG Schleswig v. 27.12.2005 - 2 W 6/05, OLGReport Schleswig 2006, 432 [433]; v. 24.8.2005 - 2 W 32/03, ZMR 2006, 73 [74]; BayObLG v. 30.4.1998 - 2Z BR 11/98, ZMR 1998, 582 [583]; BayObLG v. 24.1.1985 - BReg 2 Z 63/84, BayObLGZ 1985, 47 ff.; a.A. in den aber nicht tragenden Gründen OLG Saarbrücken v. 28.09.2004 - 5 W 173/04-56, OLGReport Saarbrücken 2005, 282 [283]; KG v. 17.12.1997 - 24 W 3797/97, ZMR 1998, 368 [369]; siehe ferner Hügel, MietRB 2005, 151 [152]). Nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG setzt der Richter aber den Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung von fest. Der Geschäftswert ist niedriger festzusetzen, wenn die berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das Interesse der Beklagten ist hier sehr gering. Ein etwaiges hohes Interesse des Klägers darf nicht dazu führen, die Beklagte wegen des hohen Gebührenrisikos von einem im Ergebnis sogar rechtmäßigem Verhalten abzuhalten. Dass das nicht erkannt wurde, darf sich jedenfalls gebührenrechtlich nicht zum Nachteil der Beklagten auswirken.

Ferner muss jedenfalls in diesem Verfahren für die Bestimmung eines angemessenen Gebührenstreitwerts bewertet werden, dass die Beklagte jedenfalls nach § 24 der Teilungserklärung letztlich gar keine Zustimmung schuldete. Eine Pflicht der Beklagten, den Änderungswünschen des Klägers zuzustimmen, konnte nicht wirksam als "Inhalt des Sondereigentums" i.S.v. §§ 10 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG beurkundet werden. Die entsprechenden Vorbehalte waren nichtig. Eine Ermächtigung (aber auch eine Zustimmung), Sondereigentum in gemeinschaftliches Eigentum umzuwandeln oder umgekehrt, kann nicht als "Inhalt des Sondereigentums" vereinbart werden (BGH v. 4.4.2003 - V ZR 322/02, NJW 2003, 2165 [2166] m.w.N.; BayObLG v. 27.10.2004 - 2Z BR 150/04, NJW 2005, 444 [445]; v. 24.7.1997 - 2Z BR 49/97, DNotZ 1998, 379 [383] = BayObLGZ 1997, 233; OLG Saarbrücken v. 28.9.2004 - 5 W 173/04-56, OLGReport Saarbrücken 2005, 282 [284]; OLG Celle v. 5.8.2003 - 4 W 111/03, OLGReport Celle 2004, 79 [80]). Die Änderung der Aufteilung von gemeinschaftlichem Eigentum und Sondereigentum betrifft die dingliche Grundlage der Mitglieder der Gemeinschaft und die sachenrechtliche Zuordnung der Flächen, Gebäudeteile und Räume und nicht das "Verhältnis der Wohnungseigentümer" untereinander. Die Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum kann nicht dem Regelungsgehalt des § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 WEG unterfallen, sie bedarf vielmehr gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WEG der Einigung aller Wohnungs- und Teileigentümer in der Form der Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB) und der Eintragung in das Grundbuch.

Soweit der Kläger zuletzt die Ansicht vortragen ließ, er sei bereits durch die Teilungserklärung Sondereigentümer der Einheiten Nr. 15 und 16 geworden, ist dies unzutreffend und daher gebührenrechtlich irrelevant. Man mag zwar ggf. annehmen, dass es nicht nur - wie es aber § 8 Abs. 1 WEG voraussetzt - möglich ist, Sondereigentum an einem noch nicht errichteten Raum bei aber errichtetem Gebäude zu begründen. Diese "vorgreifliche Begründung" einzelner Gebäudeteile setzte aber wenigstens voraus, dass den jeweiligen Einheiten bestimmte Miteigentumsanteile zugewiesen worden waren und die Identität des Sondereigentums (seiner Flächen, seiner Ausmaße etc.) von Anfang an sichergestellt und in der Teilungserklärung auch hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es. Der Teilungserklärung sind weder unmittelbar noch durch Verweisung auf den Aufteilungsplan entsprechende Bestimmungen zu entnehmen. Durch die Aufstockung des Wohngebäudes ist deshalb zunächst Gemeinschaftseigentum entstanden. Hier gilt nichts anderes als in dem Fall, in dem nachträglich Balkone gebaut werden ohne zu bestimmen, in wessen Eigentum sie stehen sollen, oder in dem Fall, wenn durch die Anbringung eines Giebeldaches anstelle des bisherigen Flachdaches ein zusätzlicher Raum entsteht (OLG München v. 5.10.2006 - 32 Wx 121/06, IMR 2007, 190) oder Räume abweichend vom Aufteilungsplan zusätzlich errichtet werden, z.B. unter der Terrasse (OLG München v. 27.6.2005 - 34 Wx 038/05, OLGReport München 2005, 607).

Für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ist von einem Wert i.H.v. 571,53 EUR auszugehen. Die spätere Erhöhung beruhte auf einer fehlerhaften Wertfestsetzung unter Zugrundelegung eines falschen Gebührenstreitwerts und kann damit für die Berechnung nicht herangezogen werden.

Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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